Aktualisiert am 19.11.2022

Hinschauen: Drogenkonsumierende aus der Illegalität holen

Die Zahl der Drogentoten in München hat in diesem Jahr deutlich zugenommen. Für die SPD/Volt-Fraktion im Münchner Stadtrat ist diese Situation nicht hinnehmbar. Mit Unterstützung von Bundes- und Landesebene fordert sie die Bayerische Staatsregierung auf, endlich von ihrer restriktiven Drogenpolitik abzurücken.

55 Menschen verloren in diesem Jahr bereits ihr Leben. Im Vergleichszeitraum 2021 seien es 31 gewesen, im Jahr davor 33 und 36 in 2019. Bisher fehlen eindeutige Hinweise für diesen massiven Anstieg. Aussagen von Drogenkonsumierenden deuten allerdings auf einen gestiegenen Wirkstoffgehalt und Verunreinigungen beziehungsweise Beimischungen zu den Substanzen hin, etwa zu Heroin oder Kokain. Ebenso wird von einem höheren Konsum sogenannter neuer psychoaktiver Substanzen berichtet, deren Zusammensetzung oft nicht bekannt ist.  Bei einem Rundgang durch Szenetreffpunkte in München rund um den Nußbaumpark und einem Gespräch in der Einrichtung EasyContact des Vereins Condrobs e.V. haben die SPD-Politikerinnen Verena Dietl, Ronja Endres und Barbara Likus mit dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert die spezielle Situation in der Landeshauptstadt München erörtert und Lösungsmöglichkeiten für eine zeitgemäße Drogen- und Suchtpolitik diskutiert.

„Der regelmäßige Austausch mit politischen Vertreter*innen und mit Verantwortlichen der Sucht- und Drogenhilfe vor Ort ist mir wichtig. Mit Nachdruck arbeite ich auf einen Paradigmenwechsel in der Sucht- und Drogenpolitik hin. Die Schadensminimierung muss im Vordergrund stehen. Ich will, dass der von der Bundesregierung vereinbarte Ausbau der Drug Checking-Möglichkeiten, aber auch das flächendeckende Angebot von Drogenkonsumräumen tatsächlich erfolgt. Ich finde es gut, dass Bayern mit den Naloxonprojekten vorbildlich voranschreitet. Jetzt sollte sich das Land bei Drogenkonsumräumen endlich einen Ruck geben.“

Burkhard Blienert, Bundesbeauftragter für Sucht- und Drogenfragen

Mehrmalige Anläufe der Landeshauptstadt München zur Einrichtung von Drogenkonsumräumen – zumindest als Modellvorhaben – wurden bisher vom Freistaat abgelehnt, angeblich aus juristischen Gründen. Das ist für SPD/Volt unverständlich, da solche Einrichtungen in anderen Bundesländern sehr wohl möglich sind und die positiven Auswirkungen für Drogenabhängige wie auch das Umfeld hinreichend unter Beweis gestellt worden sind.

„Wir werden den Kampf für die Einrichtung eines solchen Modellvorhabens nicht aufgeben. Gleichzeitig hoffen wir, dass geplante sinnvolle Maßnahmen wie das Drug-Checking nicht auch dem Föderalismus zu Opfer fallen und bundeseinheitliche Lösungen gefunden werden. In München werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass niederschwellige Angebote für drogenkranke Menschen finanziert und bei Bedarf – beispielswiese bei der Streetwork oder mit Health-Advisors – auch ausgebaut werden.“

Münchens Bürgermeisterin Verena Dietl

Die Landeshauptstadt fördert zahlreiche niederschwellige Hilfen, Substitutionsambulanzen und verschiedene Präventionsprojekte und Projekte der ambulanten Suchthilfe. Vom Freistaat erwartet sich SPD/Volt künftig deutlich mehr Kooperation und Offenheit für neue Projekte – ein Abschied vom aktuell vorherrschenden drogenpolitischen Dogmatismus der CSU.

„Beim Einsatz für Drogen- und Suchterkrankte muss alles getan werden, was diesen Menschen hilft und Todesfälle verhindert. Das betrifft das Thema Drogenkonsumräume, aber auch eine auskömmliche und nachhaltige Finanzierung des Notfallmedikaments Naloxon in Bayern, das bei einer Überdosis Menschenleben retten kann. Prävention allein – wie von der Bayerischen Staatsregierung propagiert – reicht offensichtlich nicht aus, es gibt weiterhin Suchterkrankte. Es braucht dringend Hilfe für chronisch abhängige Menschen. Betroffene werden stattdessen kriminalisiert und ihre Schwierigkeiten nicht anerkannt, obwohl es sich um ein gesellschaftliches Problem handelt. Von Prävention plus Hilfe für Betroffene profitieren alle – auch das Umfeld.“

Ronja Endres, Vorsitzende der Bayern-SPD

Verschiedene Initiativen der SPD-Landtagsfraktion in diese Richtung scheiterten bislang an der harten Linie der Bayerischen Staatsregierung. Dass andere Bundesländer hier weiter sind und mit diversen Projekten bereits unter Beweis gestellt haben, dass Drogen- und Suchterkrankten geholfen werden kann, wird in Bayern leider konsequent ignoriert.

Wir brauchen politische Lösungen in der Drogenpolitik, die die Gesundheit der Menschen in den Fokus nehmen. Dabei müssen alle Bereiche zusammenwirken: Bund und Land, Kostenträger und Kassenärztliche Vereinigung. Menschen, die Drogen konsumieren, brauchen Sicherheit, Substitutionsplätze und Begleitung beim Entzug. Wir erleben schon viel zu lange Denkverbote – gerade auch bei Abhängigkeit von Opiaten. Opfer dieser Verbohrtheit sind vor allem junge Menschen, denen wir durch die Sucht helfen sollten anstatt sie in die Kriminalität zu drücken.“

SPD-Gesundheitspolitikerin Barbara Likus

Gemeinsam appellieren SPD in München und Bayern an die Regierung in Berlin, möglichst  bundeseinheitliche Lösungen zu schaffen.  Gleichzeitig müssen Kommunen, Länder und der Bund besser vernetzt und koordiniert sein.  Eine erfolgreiche Drogen- und Suchtpolitik kann nur gelingen, wenn nicht nur Bund und Kommunen, sondern auch die Länder diese viel höher auf die Agenda setzen. Denn sie sind es, die an vielen Stellen den Schalter umlegen können. Ein flächendeckendes funktionierendes Versorgungssystem ist das Rückgrat des gesamten Suchthilfesystems – und schont langfristig die klammen Kassen.