Kommunale Arbeitsmarktpolitik in Zeiten von Corona – wie wir den Weg aus der Krise meistern können

Aktualisiert am 19.10.2022

1. Aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt

Restaurants und Geschäfte? Geschlossen. Veranstaltungen? Abgesagt. Die Mitarbeitenden? In Kurzarbeit. Seit Beginn der Corona-Pandemie vor gut einem Jahr hat der Münchner Arbeitsmarkt einiges aushalten müssen. Die Arbeitslosenzahl stieg im Vorjahr von 13.640 auf 48.348 und damit um 1,2 Prozentpunkte auf 4,5 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 2015. Nur das von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil forcierte Kurzarbeitergeld verhinderte Schlimmeres. Im April reichten 16.615 Münchner Betriebe für 218.236 Beschäftigte eine Anzeige auf Kurzarbeit ein. Tatsächlich abgerechnet wurden dann für 183.241 Mitarbeitende. Insgesamt gab es in 27.318 Unternehmen Kurzarbeit für 373.511 Beschäftigte. Das sind mehr als 30 Prozent der Münchner Arbeitnehmer*innen. Betroffen waren vor allem die Branchen aus dem Dienstleistungsbereich wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe, dem Einzelhandel, der Fitnessbranche und dem Messe- und Eventbereich.

Auch 2021 stehen die Betriebe weiter vor großen Herausforderungen. Und die Beschäftigten ebenfalls: Denn dauerhaft reicht das Kurzarbeitergeld nicht zum Leben in einer teuren Stadt wie München. Die SPD hat sich deshalb von Anfang an für eine Aufstockung der Kurzarbeitergelds eingesetzt. Dies ist nach wie vor wichtig, da viele Beschäftigte über einen langen Zeitraum von Kurzarbeit betroffen sind. Um dies konkret an einem Beispiel deutlich zu machen:

Ein Koch, alleinstehend, 2500 Euro Bruttoverdienst, erhält normalerweise netto 1697,63 Euro. Bei 50 Prozent Kurzarbeit hat er pro Monat noch 1405,48 Euro zur Verfügung, ihm fehlen pro Monat 292,15 Euro. Ist er zu 100 Prozent in Kurzarbeit hat er nur noch 1018,87 Euro zur Verfügung, ihm fehlen pro Monat 678,76 Euro.

Alle Beispiele können hier unter diesem Link berechnet werden.

Simone Burger, wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD/Volt-Stadtratsfraktion, sagt:

„Die Gesundheitskrise darf nicht zur sozialen Krise werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass das Kurzarbeitergeld aufgestockt wird, es für Soloselbstständige eine schnelle und auskömmliche Hilfe gibt und Auszubildende gefördert werden.
Wir müssen aber auch aus der Krise lernen und deshalb brauchen wir mehr Sozialstaat, um in einer Krise allen Sicherheit zu geben.“

2. Sozialdemokratische Handschrift in der Münchner Arbeitsmarktpolitik

  • Mehr Geld für Qualifizierung: München leistet sich seit vielen Jahren ein eigenes kommunales Arbeitsmarktprogramm. In diesem finanziert die Stadt aus freiwilligen Mitteln im Umfang von etwa 24 Millionen jährlich Projekte für Beschäftigung und Qualifizierung. Wie in keiner anderen Stadt Deutschlands werden die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen der Arbeitsförderung vom Bund hier ergänzt. Damit unterstreichen wir in München unseren Willen eine aktive Beschäftigungspolitik zu machen. Wir setzen bereits jetzt um, dass anstelle von Arbeitslosigkeit Arbeit finanziert wird, indem wir in den sozialen Betrieben in der Kombination von Bundes- und kommunalen Mitteln langzeitarbeitslose Münchner*innen beschäftigen und qualifizieren. Als SPD/Volt-Stadtratsfraktion setzen wir uns dafür ein, dass wir die kommunale Arbeitsmarktpolitik bereits jetzt auf die Zeit nach Corona vorbereiten. Es zeichnet sich ab, dass wir ganz neue Problemstellungen bekommen. Einzelne Branchen und die Ausbildung von Fachkräften stehen vor einer unklaren Zukunft.
  • Niemand darf durch das Raster fallen: Wenn über die Situation von Schülerinnen in der Corona-Pandemie gesprochen wird, werden die Berufsschülerinnen oft übersehen. Besonders betroffen sind Auszubildende, deren Betriebe geschlossen sind und die nun auch noch keine Praxis in den Berufsschulen haben, durch den digitalen Fernunterricht. SPD/Volt-Fraktion fordert daher, Förderangebote aufzulegen, sobald dies möglich ist. Ein Problem hatten viele Schülerinnen dieses Jahr, als sie sich auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz machten. Sie konnten – aus guten Gründen – keine oder wenige Praktika zur Orientierung machen. Die Beratung und Unterstützung von Schülerinnen bei der Ausbildungsplatzsuche muss deshalb gestärkt werden.
  • Lobby sein für die Münchnerinnen und Münchner: Als SPD/Volt-Fraktion setzen wir uns gemeinsam mit unseren Kolleg*innen in den Bundes- und Landesparlamenten politisch dafür ein, dass auch auf Bundes- und Landesebene mehr passiert für Menschen, die durch Corona in wirtschaftliche Not geraten sind, zum Beispiel für diejenigen, die Kurzarbeitergeld erhalten oder die Soloselbständigen. Wir kämpfen für tragfähige und gute Sicherungsnetze während der Krise, aber auch für einen Sozialstaat nach der Krise, der alle Menschen unterstützt. Deshalb braucht es eine Diskussion, wie Soloselbstständige sozial abgesichert sein sollen, bei Krankheit, bei Arbeitslosigkeit und bei der Altersversorgung. Wir fordern zudem eine Debatte über ein Mindesthonorar, um eine gerechte Bezahlung zu sichern.

Dazu sagt Christian Köning, finanzpolitischer Sprecher der SPD/Volt-Stadtratsfraktion, sagt:

„Unsere Politik im Bund und auch hier in München hat Schlimmeres im Jahr 2020 verhindert und wirkt auch jetzt im zweiten Lockdown. Aber es ist auch klar, dass wir nach Corona komplett andere Bedingungen haben werden und neue Akzente setzen müssen. Es wird mehr Mittel in der kommunalen Arbeitsmarktpolitik brauchen. Dabei wollen wir auch eine Diskussion über spezifische Programme in bestimmten Branchen, um Beschäftigung und Qualifizierung zu ermöglichen.“

3. Die Herausforderungen der Wiedereingliederung in der Praxis

Leider stieg in dieser Krise auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 22,4 Prozent im Jobcenter (im Vergleich November 2020 zu November 2019). Wer jetzt arbeitslos wird, hat es besonders schwer eine neue Arbeit zu finden. Denn in der Krise sank auch die Zahl der offenen Stellen, um 31,8 Prozent im Jahr 2020.

In sozialen Betrieben sollen Langzeitarbeitslose wieder fit gemacht werden für den ersten Arbeitsmarkt. Doch die Unternehmen kämpfen mit den erschwerten Bedingungen. Viele Teilnehmer*innen der sogenannten Arbeitsgelegenheiten gehören zur Hochrisikogruppe. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht in den Betrieb wagt, kann ohne Sanktionen zu Hause begleitet werden. Allerdings gibt es dann die Mehraufwandspauschale von 1,00 bis 2,00 Euro pro Stunde nicht. Das ist für viele der Langzeitarbeitslosen ein harter Einschnitt.

Als die Betriebe 2020 bis Mai für die Teilnehmer*innen komplett geschlossen waren, war dies für viele eine hohe Belastung. Die Arbeit in den sozialen Betrieben ist für einige der einzige regelmäßige Kontakt. Viele leben
allein, haben nur den Kontakt zu Profihelfern. Viele dieser Kontakte sind weggebrochen beziehungsweise digitalisiert worden. Für viele ist dies aber keine Alternative, wie auch das Homeoffice in vielen Bereichen gar nicht möglich ist. Und soziale Arbeit, also Arbeit mit Menschen, geht, wie auch zum Beispiel die Pflege, (noch) nicht digital.

Stephanie Lerf, Geschäftsführung Anderwerk GmbH, sagt:

„Das Ziel der sozialen Betriebe ist eine Integration auf dem Arbeitsmarkt. Doch genau dieses Ziel scheint für viele Teilnehmerinnen gerade in noch weitere Ferne zu rücken. Die Zahl der Arbeitslosen nimmt coronabedingt zu – und damit sinken die Chancen für Menschen mit sogenannten Vermittlungshemmnissen, auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren. Das macht unseren Teilnehmenden Angst, es ist demotivierend. Deshalb ist es unsere Aufgabe, diese Menschen noch mehr zu stabilisieren und ihnen Hoffnung zu geben.“*